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Rückenprobleme vermeiden TEIL 1: Rückenprobleme und Kissing Spines

Von Hauptner Pferd

von Anne Schmatelka, los-gelassen

Rückenprobleme und im weiteren Stadium Kissing Spines sind heute sehr weit verbreitet und oft sind Reiter und Pferdebesitzer erschrocken, wenn die Diagnose kommt. Man hat über Jahre versucht alles richtig zu machen und dann die Erkenntnis, dass doch alles in die falsche Richtung gelaufen sein muss, denn das Pferd ist krank und hat im schlimmsten Fall eine irreparable Schädigung an der Wirbelsäiule. Einen Befund, mit dem es immer leben muss, der sich verschlechtern kann und mit dem das Pferd immer Schmerzen haben wird, wenn man beim Reiten und Ausbilden Fehler macht.

Die therapeutischen Massnahmen sind dann auch eher ernüchternd. Es besteht die Möglichkeit, das Pferd am Rücken zu operieren, zu spritzen oder anderweitig unter Schmerzmittel zu setzen. Eine nicht gerade schöne Aussicht.

Die einen raten dann, das Pferd „mal eben“ über den Rücken zu reiten und vorwärts-abwärts und dann klappt das schon wieder. Das ist grundsätzlich richtig, aber man muss erst einmal lernen, es richtig zu machen und wissen, wie es sich anfühlt, wenn es richtig ist… und wer bringt einem das bei?

Andere wiederum verteufeln die Dehnungshaltung komplett und sprechen von Eleganz und Stolz, wenn die Pferde mit weg gedrücktem Rücken, in absoluter Aufrichtung und kurzen verspannten Trippelschritten durch die Bahn stoplern. Das macht zwar dann jeden Pferderücken innerhalb kürzester Zeit ganz kaputt, aber es wird gut verkauft und so steht man da und weiss nicht, was richtig und was falsch ist….

Nicht immer müssen aus ersten Verspannungen Rückenprobleme oder im weiteren Verlauf Kissing Spines werden, denn Rückenprobleme kündigen sich an….

Meist beginnt es so:

Beim Putzen reagiert das Pferd im Rücken empfindlich, die Muskeln zucken oder das Pferd weicht aus, pinselt mit dem Schweif, legt die Ohren an oder tritt auf einmal, wenn man es an Stellen striegelt, an den denen es früher keine Anzeichen von Empfindlichkeit gezeigt hat. Beim Satteln reagiert es ebenfalls unwillig, zeigt Anzeichen von Sattelzwang. Der Sattler stellt allerdings fest, dass der Sattel passt.

Beim Reiten ist das Pferd klemmig, geht nicht mehr vorwärts, die Tritte sind hölzern. Das Pferd lahmt, aber der Tierarzt kann noch nichts finden.

Wen man zurückdenkt, wird einem bewusst, dass beispielsweise die Übergänge in der kürzeren Vergangenheit auf einmal nicht mehr fliessend waren. Lektionen führte das Pferd immer unwilliger aus.

Irgendwann hatte man das Gefühl, dass sich das Pferd zu Beginn des Reitens erst „einlaufen muss“, die Hinterbeine fussten nicht mehr aktiv ab, der Takt war nicht mehr sicher geregelt, aus ersten Taktfehlern wurden Gangfehler. Eine konstante Anlehnung war nicht mehr gegeben. Alles erfolgte mit immer mehr Kraft und Druck durch den Reiter.

Viele Pferde werden in dieser Phase widersetzlich. Sie pinseln mit dem Schweif, drängen rückwärts, buckeln oder steigen, denn sie haben Schmerzen.

Man ruft abermals den Tierarzt und dann kommt die Diagnose: Erste Engstände zwischen den Dornfortsätzen oder sogar schon Kissing Spines!

Wie eine Breitseite trifft es einen...

Aber man hat doch alles richtig machen wollen, was war denn nur falsch?

In den allermeisten Fällen entwickeln sich Kissing Spines und andere Rückenprobleme des Pferdes durch fehlerhaftes Reiten und Ausbilden: mit zu viel Handeinwirkung, fehlerhafte Aufrichtung, zu eng im Hals, die Nase dauerhaft hinter der Senkrechten, zu hohem Tempo oder permanentem Untertempo, zu wenig Aktivität aus der Hinterhand, falsch verstandener oder keiner Anlehnung, zu wenig Gymnastizierung. Das Ergebnis sind entweder „auseinandergefallene“, auf die Vorhand gerittene Pferde ohne korrekte Grundausbildung oder aber Pferde, die permanent in absoluter Aufrichtung „um ihr Leben strampeln“.

Ein weiteres Problem ist heute die Eile in der Ausbildung, die es den Pferden schwer macht, gesund zu bleiben. Pferde sind oft schon in jungen Jahren massiv überfordert, müssen sich einem übersteigerten Erfolgsdruck fügen.

Die Remonte war früher vier bis fünf Jahre alt, wenn sie unter den Sattel kam. Die Knochen und Gelenke waren dann schon viel stabiler und gefestigter als sie es mit drei Jahren (das heute übliche Alter zum Einreiten) überhaupt sein können. Man liess sich Zeit bei der Arbeit an der Longe und half dem Pferd damit, die notwendige Basismuskulatur aufzubauen, um später das Reitergewicht ohne Schaden tragen zu können. Nach dem ersten Einreiten ging es ins Gelände.

Die Pferde wurden nicht wie heute schon fast üblich auf aufwendige Bewegungen gedrillt oder in Rollkurmanier zusammengezogen, sondern durften in zwangloser Selbsthaltung in allen Gangarten laufen. Ziel war, Muskeln, Sehnen, Bänder, Knochen und Gelenke zu stabilisieren, die Schwungentwicklung zu fördern und die natürliche Qualität der Bewegung zu erhalten, respektive zu verbessern und über den ausreichend langen Zügel und das fleissige Vorwärtsreiten das dazu zu veranlassen, die Anlehnung in der Tiefe zu suchen. Sie sollten über den Schub aus der Hinterhand lernen, das Gebiss anzunehmen, ohne die Anlehnung durch zu kurze Zügel zu erzwingen.

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Zügel aus der Hand kauen lassen im Schritt, sorgt für einen taktreinen Bewegungsablauf und erhält die Qualität des Schrittes auch bis in ein hohes Alter.

Man begann mit Zügel aus der Hand kauen lassen in den drei Grundgangarten, ersten grossen gebogenen Linien, Achten und nur grundlegenden Übungen und Lektionen. Die Fähigkeit, das eigene Gleichgewicht zu finden, ergab sich durch diese Ausbildung fast nebenbei.

Erst nach rund zwei Jahren, wenn das Pferd gefestigt war, begann die wirkliche Arbeit in der Dressur. Dressurarbeit durchlief jedes Pferd, um erst danach seiner entsprechenden Spezialisierung zugeführt zu werden.

Dieser Weg wird heute kaum noch gewählt – weil er zu viel Zeit kostet und zu viel Geld. Ein Fünfjähriger, der nicht mehr kann, als im Gelände bergauf und bergab zu laufen, der nicht mindestens L-Dressur-Lektionen beherrscht oder mindestens ein L-Springen gegangen ist, ist eigentlich nichts wert.

Das Ergebnis dieses übersteigerten Erfolgsdrucks sind: steife, verkrampfte und fehlbemuskelte Pferde. Es entstehen Sehnenschäden, Fesselträgerentzündungen, Kissing Spines, Genickschäden, Nackenbandreizungen, Entzündungen, psychische Probleme und viele weitere Befunde, die oft schon in den ersten Ausbildungsjahren zu irreparablen Schädigungen führen.

Sind Rückenprobleme oder Kissing Spines erst einmal vorhanden, ist spätestens dann der Zeitpunkt gekommen, um etwas zu ändern, und das heisst:

- neue Wege zu gehen,

- Dinge anders zu machen als bisher,

- Dinge anders zu machen als andere,

- auch einmal „NEIN“ zu sagen,

- bisher praktizierte, evtl. falsche Methoden zu hinterfragen.

Engstände zwischen den Dornfortsätzen oder Kissing Spines sind irreparabel und für das Pferd ein nicht mehr heilbarer Schaden, der mit grossen Schmerzen verbunden sein kann!

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Um die Muskeln in der Hinterhand aufzubauen, muss man sein Pferd nicht aufrichten. Eine korrekte Gebrauchshaltung mit an der an die Senkrechte vorgelassenen Nase macht den Rücken locker.

Ein solcher Befund muss allerdings kein Weltuntergang sein!

Man muss jetzt nur anders an die Dinge herangehen. Und das heisst: die Grundlagen schaffen, damit es für die Zukunft wieder funktionieren und das Pferd ohne Schmerzen leben und geritten werden kann.

Dazu gehören:

  • ein schmerzfreies Pferd, was manchmal im ersten Schritt nur mit Hilfe von entzündungshemmenden Mitteln zu erreichen ist. Denn nur ohne Entzündungen und Schmerzen kann man an den so wichtigen Muskelaufbau denken. Dazu ist es wichtig, mit dem behandelnden Tierarzt ein entsprechendes Konzept aufzubauen.
  • die Unterstützung durch einen guten Osteopatherapeuten, der die Grundmobilität wieder herstellt und entsprechende Übungen vermittelt, damit man als Reiter oder Besitzer sein Pferd für die Zukunft elastisch halten kann.
  • korrekt gestellte Hufe und / oder Beschlag,
  • der für Reiter und Pferd passende Sattel,
  • ein möglichst korrekt sitzender Reiter, der zum Sitzen und zum Treiben kommt.
  • die Schwungentwicklung aus der Hinterhand, korrekte Anlehnung und eine Nase, die an die Senkrechte gehört! Haben Pferde Rückenprobleme oder Kissing Spines, dann verändert sich mit der Zeit die Muskulatur. An den notwendigen Stellen wird sie abgebaut und aus Kompensation an den falschen Stellen aufgebaut. Das führt dazu, dass sich das Pferd vom Erscheinungsbild verändert.

Am folgenden Fotovergleich sieht man deutlich, wie unterschiedlich Rücken aussehen können:

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Die Pferde auf den Fotos 2 und 4 haben massive Rückenprobleme. Aus diesem Grund erinnert die Oberlinie sehr an eine Hügellandschaft und der Rücken ist nach unten abgesunken.

Nachdem der Sattel angepasst ist, die Hufe korrekt gestellt sind, der Rücken schmerzfrei ist, sollte ein Osteopath Blockaden beseitigen und eine erste Grundmobilität wiederherstellen. Bei den Osteopatherapeuten ist es wie bei den Ausbildern, einen wirklich guten zu finden, ist nicht einfach.

Einen Fähigen Therapeuten erkennt man an folgenden Dingen:

a)    Die erste Behandlung sollte mindestens 1 ½ Stunden dauern.

b)    Der Osteopath sollte sich das Pferd an der Hand vorführen lassen, sich die Fussfolge in Schritt und Trab genau ansehen, das Pferd an der Longe am Halfter links und rechts herum vorführen lassen, enge Wendungen gehen lassen,

c)     die einzelnen Schritte der Behandlung und seine gemachten Beobachtungen genau erklären können, dokumentieren.

d)    Bei der Behandlung sollte er sich nicht nur auf den Rücken reduzieren, sondern alle Gelenke und Strukturen im Körper des Pferdes checken.

e)    Auch nach den Zähnen schaut der gute Osteopath. Wenn da etwas nicht in Ordnung ist, ist das Pferd unter anderem in Kiefer und Genick verspannt.

f)     Er sollte vorsichtig mit dem Pferd umgehen, Ruhe vermitteln, damit das Pferd entspannen kann. Hinzu kommt, dass bei Pferden mit Rückenproblemen oder Kissing Spines die ersten Behandlungen sehr schmerzhaft sein können. Man sieht heute in den Medien sogenannte Therapeuten, die mit Kraft, massivem Druck Dehnungsübungen durchführen. Vermarktet wird das dann als notwendige Vorgehensweise. Jedoch führen diese Behandlungen in ganz vielen Fällen zu Verletzungen von Kleinststrukturen.

Verletzungen der Kleinststrukturen - wie Faserrisse, massive Überdehnungen und Ähnliches - die sich meist erst nach Wochen durch eine Verschlechterung des Gesamtzustandes zeigen, werden dann kaum mehr mit dem groben Umgang durch den Behandelnden in Verbindung gebracht. Diese Behandlungen werden zwar heute in den Medien aufwendig vermarktet, aber dadurch sind sie nicht richtig! Im Gegenteil! Sie sind hochgradig gesundheitsschädlich für das Pferd!

g)    Nach der Behandlung sollte der Therapeut das Pferd auf die Weide entlassen und nicht die Auflage machen, es für Tage in der Box einzusperren oder gar anzubinden.

h)    Da es mit einer osteopathischen Behandlung nicht getan ist, sollte einem der Therapeut verschiedene Übungen zeigen und diese als quasi tägliche Hausaufgabe bis zur nächsten Behandlung mitgeben. Dazu gehören unter anderem das-Aufwölben-lassen des Rückens, ggf. das Lockermachen der Faszien, Möhren an der Hinterhand abholen lassen, den Widerrist bewegen, das Becken kippen und ähnliches.

i)      Die erste Nachbehandlung sollte je nach Situation 2-3 Wochen nach dem ersten Termin erfolgen.

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Lösen der Halsfaszie

Der Freilauf ist für ein Pferd mit Rückenproblemen oder Kissing Spines sehr wichtig. Denn je mehr Bewegung das Pferd hat, umso schneller können sich auch Verspannungen lösen. Ein dunkler Stall und wenig Bewegung machen die Situation für das Pferd nicht leichter. Auch bei der Fütterung kann man unterstützend eingreifen. Der Markt bietet heute vielfältige Möglichkeiten, durch Zugabe von Vitaminen und Mineralien, muskuläre Entspannung zu unterstützen. Je nach Situation ist das allerdings mit dem Tierarzt abzusprechen.

Wenn eine Grundentspanntheit erreicht ist, geht es an den Aufbau der Muskulatur. Oft ist es notwendig, dazu mit Longieren zu beginnen.

In unserem zweiten Teil der Artrikelreihe „Rückenprobleme vermeiden“ geht es um den korrekten Muskelaufbau. Dazu gehört das richtige Longieren sowie Grundlegendes zum richtigen Reiten.